Ein Kaktus, den es so in der Natur gar nicht gibt, der aber wohl der weltweit am häufigsten verkaufte Kugelkaktus ist: der Erdbeerkaktus wurde von den Kakteengesellschaften der drei deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und Schweiz zum Kaktus des Jahres 2023 gekürt.
Rote Kugel auf grünem Stiel: So präsentiert sich der Kaktus des Jahres in Blumengeschäften, Gartencentern und Kaufhäusern. Die attraktiv leuchtend rote Farbe brachte ihm im deutschsprachigen Raum den Namen Erdbeerkaktus ein. Der wissenschaftliche Name lautet Gymnocalycium friedrichii ‘Hibotan’. Es handelt sich um eine gärtnerische Sorte, die durch die Selektion von Mutanten, denen das Blattgrün fehlte, entstanden ist.
Die Pflanzenkörper der Ausgangsart Gymnocalycium friedrichii, die im Trockenwald in Nordparaguay zuhause ist, sind natürlicherweise olivgrün bis braun. Diese Färbung entsteht durch die Mischung des Blattgrüns (Chlorophyll) mit rötlichen Farbstoffen (Betacyanen). Bei der Sorte ‘Hibotan’ ist der Körper jedoch aufgrund des fehlenden Blattgrüns rein rot.
In den 1940er Jahren sollen in einer japanischen Kakteengärtnerei bei einer Aussaat des Gymnocalycium friedrichii zwei chlorophylllose, rote Sämlinge erschienen sein. Da sie aufgrund des fehlenden Blattgrüns nicht lebensfähig waren, wurden sie sofort auf eine grüne Unterlage gepfropft und so von der Pfropfunterlage mit den notwendigen Nährstoffen versorgt. Durch Pfropfung der reichlich erscheinenden Seitensprosse wurden die Pflanzen weitervermehrt und schließlich als Sorte ‘Hibotan’ in den Handel gebracht.
Botanische Laien halten den roten Erdbeerkaktus auf der grünen Unterlage leicht für deren Blüte. Sie erkennen nicht, dass es sich dabei um zwei verschiedene Arten handelt. Bei guter Pflege kann der Erdbeerkaktus aber durchaus blühen: Dann erscheinen glockige, rosaweiße Blüten, die mehrere Tage halten.
Der Erdbeerkaktus steht stellvertretend für eine Reihe mehr oder weniger blattgrünloser Farbmutanten verschiedener Kakteenarten und -hybriden, die es in diversen Färbungen –rot, pink, gelb oder fast schwarz – gibt. Sie werden heutzutage vor allem in Südkorea in großen Mengen produziert und dann weltweit exportiert. Meistens sind sie auf den dreirippigen Kaktus Hylocereus undatus gepfropft. Diese Pfropfunterlage ist zwar wüchsig und lässt sich leicht vermehren, sie verträgt aber keine Kälte: Bei dauerhaften Temperaturen unter 12 °C fault sie leicht und mit ihr dann auch der Pfröpfling. Damit wird der häufig nur als Deko-Element betrachtete Erdbeerkaktus leicht zur Wegwerfware, die – wenn überhaupt – nur wenige Jahre überlebt.
Bei richtiger Pflege, die an die Pfropfunterlage angepasst sein muss (Temperatur über 12 °C im Winter, kein dauerhaftes Austrocknen des Substrats, heller und leicht sonniger Standort), ist aber durchaus eine längere Kultur möglich. Ein Umpfropfen auf eine robustere Unterlage (z. B. Eriocereus jusbertii oder Echinopsis) trägt dazu bei. So kann der Erdbeerkaktus viele Jahre lang Freude bereiten. Er reiht sich dann ein in die vielen anderen Arten der formenreichen Kakteenfamilie, deren Kultur am Fenster, auf dem Balkon oder im Gewächshaus für so viele Pflanzenfreunde zu einem attraktiven und erfüllenden Hobby geworden ist.
Mehr über Erdbeerkaktus & Co. erfahren Sie in folgenden Ausgaben unserer Zeitschrift “Kakteen und andere Sukkulenten”:
September 2015
Bitte klicken Sie auf die Bilder um diese in hoher Auflösung herunterzuladen.
Please click on the images to download them with a high resolution.
Cactus_of_the_year_2023 (PDF, 161 KB)
Text: Wolfgang Borgmann & Detlev Metzing
Alle Fotos: Wolfgang Borgmann
Übersetzung ins Englische: Edwina Pfendbach